Impressionen vom Iftar mit der Staatsministerin Özoğuz und der Bundeskanzlerin
von Gabriele Boos-Niazy
Auch in diesem Jahr erhielt das Aktionsbündnis muslimischer Frauen zahlreiche Einladungen zum Iftar, aber die Einladung der Staatsministerin Aydan Özoğuz für den 30. Juni in Berlin hat uns besonders gefreut, zeigt sie doch, dass die Arbeit des Aktionsbündnisses auch in der Politik wahrgenommen wird. Veranstaltungsort war die Villa Borsig, das Gästehaus des Auswärtigen Amtes, malerisch direkt am Tegeler See gelegen.
Zunächst trafen sich alle Gäste auf der Terrasse – Zeit, um miteinander zu reden oder auch einfach nur den Ausblick zu genießen. Nachdem die Kanzlerin eingetroffen und alle reihum begrüßt hatte, wurde Aufstellung zum obligatorischen Gruppenfoto genommen.
Zum Auftakt der Veranstaltung kamen wir in den Genuss klassischer Musik – ein Klarinettenquintett von Mozart, virtuos gespielt von Musikern des West-Eastern Divan Orchestra.
Die Staatsministerin begrüßte die Gäste, und man konnte ihr die Freude über die von ihr initiierte Einladung deutlich anmerken. Auch wenn es – wie zu erwarten – sowohl auf muslimischer als auch auf nicht-muslimischer Seite einen deutlichen Männerüberschuss bei den Gästen gab, hielt sich bei den Rednern die Verteilung der Geschlechter die Waage. Nicht zuletzt deshalb, weil Nurhan Soykan in ihrer derzeitigen Funktion als Sprecherin des KRM ein Grußwort sprach (nachzulesen hier ).
Weitere Grußworte sprachen der Landesbischof Bedford-Strohm (Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland), Alois Glück (Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken) sowie Josef Schuster (Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland). Schuster wies in seiner Rede auf zwei Strömungen in der Gesellschaft hin: Einerseits gebe es immer mehr Menschen, die die Einwanderung als Bereicherung sähen, andererseits mache sich aber auch vielerorts eine fremdenfeindliche, islamophobe und antisemitische Stimmung breit, die mehr als besorgniserregend sei.
Die Festrede hielt die Kanzlerin. Der Schwerpunkt lag auf dem, was die unterschiedlichen Religionen verbindet, auf dem Abbau gegenseitiger Vorbehalte durch intensive Kontakte, dem Aufruf, sich nicht spalten zu lassen und gemeinsam gegen Diskriminierung von Gläubigen oder Nicht-Gläubigen die Stimme zu erheben. Die Kanzlerin erneuerte ein Anliegen, das sie nach den Anschlägen in Paris an die Muslime gerichtet hatte (und das anscheinend noch niemand zu ihrer Zufriedenheit beantwortet hat): Angesichts der terroristischen Anschläge in Frankreich, Tunesien und Kuwait fragten sich viele Menschen, warum die Täter Menschenleben gering schätzten und als Tatmotiv ihre Religion nennen würden. Die Menschen „[…] haben Mühe, dem Satz zu folgen, dass Mörder, die sich für ihre Taten auf den Islam berufen, nichts mit dem Islam zu tun haben sollen.“ Sie wünsche sich nach wie vor eine Klärung dieser Fragen „[…] durch die Geistlichkeit des Islam […].“ Dieser Klärung könne nicht mehr ausgewichen werden, weil ansonsten Kräfte gestärkt würden, die Muslime unter Generalverdacht stellten. Die Kanzlerin: „Ich erwidere ausdrücklich: Jede Ausgrenzung von Muslimen in Deutschland, jeder Generalverdacht gegen sie verbietet sich. Wir vergessen im Übrigen auch nicht, dass die allermeisten Opfer der weltweiten Terroranschläge Muslime sind.“
Ein kurzes Video zur Veranstaltung mit Redeausschnitt findet sich hier
Die komplette Rede der Kanzlerin ist hier nachzulesen.
Nach den Festreden erfolgte eine kurze Quranrezitation (Al Fatiha und Vers 20-22 aus Sura 30) und der Gebetsruf durch den Vorsitzenden des forums muslimischer stipendiatinnen & stipendiaten, Zakariya Ali. Im Anschluss wurde gemeinsam gegessen und in lockerer Atmosphäre geplaudert.
Bei der Verabschiedung ließ sich dann noch das eine oder andere schöne Motiv finden….
Von links nach rechts: Yasemin Shooman (Leiterin der Akademieprogramme des Jüdischen Museums Berlin), Gabriele Boos-Niazy (Vorstand AmF), Nurhan Soykan (Generalsekretärin ZMD, amtierende KRM-Vorsitzende), Staatsministerin Aydan Özoğuz, Hatice Durmaz (Präsidentin RAMSA), Naika Foroutan (Humboldt-Universität zu Berlin).
Auch wenn aufgrund des engen Programms (leider) kein sehr tiefer Austausch zwischen allen Gästen zustande kommen konnte, hat die Veranstaltung aus meiner Sicht ihr Ziel erfüllt: ich habe sie als ein deutliches Zeichen an die Muslime und die Mehrheitsgesellschaft empfunden, dass der Islam nicht länger schwerpunktmäßig unter dem Aspekt der „Migranten-Religion“ und als potentielles Sicherheitsrisiko gesehen wird, sondern als Religion, der (endlich) ein Platz innerhalb des vielfältigen Spektrums an Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften in Deutschland eingeräumt wird. Bis diese Sichtweise bei allen Bevölkerungsschichten (und auch einigen Politikern) angekommen ist, wird es noch eine Weile dauern, aber diese Erfahrung teilen wir mit anderen Minderheiten.
Da es sich bei dem Empfang ausdrücklich um eine nicht-religiöse Veranstaltung handelte, fände ich es begrüßenswert, wenn bei einem erneuten Iftar auch Vertreter atheistischer Gruppen dabei wären, denn auch sie sind Teil des Spektrums an Weltanschauungen in Deutschland.