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Stellungnahme der muslimischen Teilnehmer der Deutschen Islamkonferenz

Neun der zehn muslimischen Einzelpersonen, die an der Islamkonferenz teilnahmen, haben eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet. Hier lesen Sie die Erklärung im Wortlaut.

Als muslimische Teilnehmer der Deutschen Islam Konferenz verfolgen wir mit wachsender Besorgnis die Aussagen unseres neuen Innenministers, Dr. Hans-Peter Friedrich, zum Islam in Deutschland.

Zunächst hat Herrn Friedrichs Aussage, der Islam bilde historisch keinen Teil Deutschlands, eine erneute Islamdebatte in der Öffentlichkeit ausgelöst. Ihrer Natur entsprechend gehört diese Thematik in den Gegenstandsbereich der Geschichts- und Kulturwissenschaften; Medien und Politik können auf diese Frage ohnehin keine Antwort geben, die den Komplexitäten der historischen Wechselwirkungen zwischen dem Islam und Deutschland gerecht würde.

Für uns steht eines fest: Kulturen und Zivilisationen lassen sich nicht scharf voneinander trennen wie dies nationalistische und andere sich auf angebliche kulturell bedingte Hierarchien berufende Ideologien propagieren. Als Teil des Weltzivilisationserbes hat auch der Islam seinen Teil zur Geschichte Europas, und damit Deutschlands, beigetragen. Doch ungeachtet aller Einflüsse aus der vormodernen Vergangenheit: Spätestens die Geschichte des demokratischen Nachkriegsdeutschlands ist von Muslimen mitgeprägt worden. Seit über einem halben Jahrhundert gehört der Islam zu Deutschland, gerade durch die hier lebenden Menschen, die sich zu ihm bekennen und einen Teil unserer gesellschaftlichen Realität darstellen. Wieviel Zeit braucht es noch, bis diese Realitäten in den Fundus der kollektiven Erinnerung und damit in die eigene Geschichte aufgenommen werden?

Herrn Friedrichs Meinung zu diesem Thema sagt entsprechend nicht viel über die wahren historischen Zusammenhänge aus. In einem politischen Kontext und seitens eines der führenden Männer der deutschen Politik getätigt bekommt sie allerdings eine wichtige und unseres Erachtens gefährliche symbolische Funktion: Sie vermittelt die Botschaft, die Muslime seien ebenso wenig ein Teil Deutschlands wie ihre Religion. Und eine solche Botschaft rüttelt gefährlich an den Grundlagen eines bis jetzt ohnehin schwierigen und mit viel Mühe verbundenen Prozesses des Vertrauenaufbaus zwischen der Mehrheitsgesellschaft und den in Deutschland lebenden Muslimen.

Nun hat der Innenminister mehrmals angedeutet, eine „Sicherheitspartnerschaft“ mit islamischen Organisationen eingehen zu wollen. Die geplante Ausgestaltung und Durchführung dieser Sicherheitsmaßnahme steht unserer Meinung nach im Widerspruch zum Ideal einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft.

Der Grundgedanke der DIK ist eine ideologiefreie und versachlichte Auseinandersetzung mit dem Islam in Deutschland unter Einbeziehug von allen wichtigen Akteuren und mit Blick auf eine Zukunftsgestaltung, in der Inklusivität und Kooperation, und nicht Marginalisierung und Polarisierung herrschen. Im ersten Jahr der zweiten Mandatsperiode der DIK, in welcher der Fokus auf einer verstärkten Hinwendung zur praktischen Umsetzung dieses Prinzips lag, herrschte über diesen Grundgedanken weitestgehend Konsens bei muslimischen wie nichtmuslimischen Teilnehmern.

Der neue Duktus aus dem Innenministerium lässt nun Zweifel daran aufkommen, ob diese Dialog- und Integrationsfunktion der DIK aus staatlicher Perspektive weiterhin angestrebt wird. Es scheint, dass die vielfältigen Erscheinungsformen des Islams in Deutschland wieder einmal auf extremistisches Potential und Gefahrenmomente reduziert werden sollen.

Als muslimische Teilnehmer der DIK rufen wir den Innenminister dazu auf, nicht leichtfertig die langjährigen Bemühungen um einen Dialog zwischen den Muslimen und dem Staat sowie die bisherigen Errungenschaften der DIK zu gefährden.

Unterzeichner:

Bernd Ridwan Bauknecht
Abdelmalik Hibaoui
Sineb El Masrar
Gönul Halat-Mec
Hamideh Mohagheghi
Armina Omerika
Tuba Işik-Yigit
Turgut Yüksel
Bülent Ücar

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