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Stellungnahme zum Fall des Kopftuch-Verbots einer Anwältin vor Gericht

Wie der Presse zu entnehmen war, hat in Berlin ein Richter eine Kopftuch tragende Anwältin mehrfach aufgefordert, im Gerichtssaal ihr Kopftuch abzunehmen.

Erfreulicherweise hat der Präsident der Rechtsanwaltskammer Berlin in einer Pressemitteilung dazu deutlich Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass diese Aufforderung rechtswidrig ist.

Als bundesweite Vereinigung zur Verbesserung der Teilhabe muslimischer Frauen stellen wir fest, dass sich seit der Einführung von Kopftuchverboten bzw. Neutralitätsgesetzen in insgesamt 8 Bundesländern die Situation Kopftuch tragender Frauen in der ganzen Bundesrepublik und weit über den Kreis der Adressatinnen des Verbots hinaus massiv verschlechtert hat. Ihr Zugang zum Arbeitsmarkt ist drastisch eingeschränkt, das gilt auch für Frauen mit guter Bildung, wie z.B. eine Erhebung des Ministeriums für in NRW deutlich zeigt.

Das staatlich legitimierte Kopftuchverbot hat das Rechtsverständnis der Bürger hinsichtlich der Religionsfreiheit nachhaltig deformiert. Es ist der Eindruck entstanden, dass Neutralität nur dann gewährleistet sei, wenn keinerlei religiöse Zugehörigkeit eines Gegenübers erkennbar ist. Diese Auffassung steht im Gegensatz zu dem, was das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil von 2003 zum Umfang der Religionsfreiheit verlautbart hat.

In unserer Beratungsarbeit häufen sich die Fälle, in denen Kopftuch tragende Frauen von den unterschiedlichsten Dienstleistungen ausgeschlossen werden, sei es der Besuch eines Sportkurses, dem Zugang zu öffentlichen Bädern oder eines Fitnessstudios oder auch der Aufnahme in die Datei eines Wohnungsmaklers usw.

Nun ist von Richtern naturgemäß zu erwarten, dass sie die Rechtslage besser kennen, als das bei einem nur mäßig an solchen Themen interessierten Otto-Normalverbraucher der Fall ist. Der Vorfall in Berlin zeigt jedoch, dass diese Erosion des Rechtsverständnisses auch Richter nicht verschont. Wenn Freiheit zwar versprochen und verfassungsrechtlich verankert ist, zugleich aber Lebensentwürfe, die mit bestimmten Bekleidungsformen einhergehen, als nicht verfassungskonform definiert und aus der öffentlichen und staatlichen Sphäre verbannt werden, wird zuerst die Gesellschaft und anschließend der Rechtstaat und seine Institutionen unglaubwürdig.

Wesseling, den 19. September 2013

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