Heute ist Tag der Demokratie
Gerade wir in Deutschland wissen, wie blutig und verlustreich der Weg zu einer Demokratie sein kann. Sie zu erhalten heißt, nicht nur, diese Geschichte nicht zu vergessen, sondern auch aus ihr zu lernen. Politologen gehen davon aus, dass die Demokratie als Regierungsform ihren Zenit zumindest vorerst überschritten hat; 2020 weist die Demokratiematrix nur noch 83 von 179 untersuchten Ländern als Demokratie aus, 55 Länder werden autokratisch regiert, in 41 sind Hybridsysteme zu finden. Insgesamt, so die Feststellung der Forscher, gebe es in vielen Ländern eine Dynamik der De-Demokratisierung.
Der erste Reflex, wenn man solche Zahlen liest, ist der Gedanke, „Das ist wirklich schlimm, aber Gott sei Dank, ist das bei uns anders“. Das ist es in der Tat, aber gleichzeitig sind uns diese Zahlen eine Wahrung und eine Mahnung, dass keine Demokratie eine Ewigkeitsgarantie hat.
Der Verlust der Demokratie ist ein schleichender Prozess, der in vielen kleinen und lautlosen Schritten vor sich geht. Diejenigen, die zu Beginn dieses Prozesses warnen, werden nicht gehört oder gar als „Gutmenschen“ lächerlich gemacht. Erst, wenn immer mehr Bürger sich offen antidemokratisch äußern und verhalten, wenn Rassismus, Sexissmus und Rechtsextremismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, der Ton in sozialen Medien und Leserforen entgleist ist und für Gerechtigkeit und Zusammenhalt engagierte Menschen verbal und körperlich bedroht werden, wird die Frage gestellt: Wie konnte es so weit kommen und wie können wir gegensteuern?
Noch ist es nicht zu spät, sich endlich ehrlich und ernsthaft mit diesen Fragen auseinanderzusetzen und nicht nur mit Worten, sondern vor allem mit Taten, das auch in Deutschland schlingernde Schiff der Demokratie zu stabilisieren. Dazu braucht zunächst vor allem eins: Die Akzeptanz unserer Rechtsordnung und die Einsicht, dass Menschen, die sie vorsätzlich brechen, mit Konsequenzen rechnen müssen. Von rassistischer Hetze und der Herabwürdigung von Menschen anderer Herkunft, Weltanschauung, Religion oder sexuelle Identität bis zu antidemokratischer Hetze und der Herabwürdigung der Bundesrepublik Deutschland und ihres demokratischen Systems, ist es nur ein kurzer Weg. Alle Bürger, vor allem aber alle politisch, zivilgesellschaftlich und medial Aktiven müssen sich fragen, wieviel ihr Sprechen oder Schweigen zu dieser Situation beigetragen hat und welche Verantwortung für den weiteren Verlauf der Entwicklung sich daraus für sie ergibt.
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