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Internationaler Frauentag 2020

Internationaler Frauentag 2020

Heute ehren die Vereinten Nationen die Rechte der Frauen, ein Tag, an dem wir die Errungenschaften der Emanzipation feiern und auf noch herrschende Missstände aufmerksam machen. Davon, dass der Kampf um Gleichberechtigung viel näher ist, als wir manchmal glauben, berichtet AmF Vorstandsmitglied Maryam Weiß:

>>Ich bin Jahrgang 1955. Ich durfte nicht das Gymnasium besuchen. Meine Eltern fürchteten, die Nachbarn würden mit Recht sagen: „Wie könnt ihr als Arbeiter ein Mädchen auf das Gymnasium schicken? Wollt ihr etwas Besseres sein? Außerdem heiratet ein Mädchen doch sowieso. Die soll den Haushalt lernen, damit der Mann zufrieden ist!“ Das gleiche bekam ich zu hören, als ich mich (auf Wunsch meines Vaters) erfolgreich als Inspektorenanwärterin bei der Stadt bewarb: Als Mädchen, das heiraten würde, sollte ich aber trotz bestandener Prüfung einen untergeordneten Arbeitsplatz bekommen. Anders als die Jungen, die einmal eine Familie ernähren müssten.

Also bewarb ich mich stattdessen mit Hilfe meiner damaligen Lehrer um ein Stipendium in einem kirchlich eingetragenen Internat, um doch noch ein Abitur machen zu können. Die Unterbringung wurde bezahlt, für mein Taschengeld putzte ich im Internat mittags die Schule. Mit dem anschließenden Studium für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen wollte ich Arbeiterkindern wie mir die Unterstützung geben, die ich von meinen Lehrern bekommen hatte. Vor allem Mädchen wollte ich Unterstützung anbieten.

Als ich das erste Mal heiratete, war mir bewusst, dass mein Ehemann das Recht hatte, meine Arbeitsstelle zu kündigen, wenn er mit meinen hausfraulichen Fähigkeiten und Leistungen nicht zufrieden wäre. Mein Vater hatte einmal meiner Mutter die Arbeitsstelle gekündigt, weil er wollte, dass sie mehr zu Hause war. Obwohl mein Mann nie an Derartiges gedacht hat, war meine Alltagserfahrung von dem Druck der männlichen Welt auf Frauen geprägt: Frauen durften nur mit dem Einverständnis des Mannes die Kinder an einer Schule anmelden, sie konnten in der Trennungsphase keine Wohnung anmieten. Sie konnten kein Geschäft eröffnen. Wie wohltuend war in dieser Situation die Frauenbewegung! Endlich wurde das Ehe- und Familienrecht reformiert und Barrieren beim Zugang zum Beruf abgebaut. Ich dachte, dass es so weiter gehen würde. Dann geriet plötzlich das Kopftuch in den Fokus bestimmter deutscher Kreise. Hatte ich als verbeamtete Lehrerin in heute über 40 Jahren Lehrtätigkeit schon bewiesen, dass ich meine Schüler weltanschaulich neutral und kompetent unterrichten kann, sah ich mich jetzt mit einem neuen Berufsverbot konfrontiert. Einem Verbot, dass erst 2015 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und unverhältnismäßig erklärt wurde. Es macht mit traurig zu sehen, dass jetzt Frauen im Justizdienst betroffen sind. Es macht mich traurig, dass Vorurteile gegen Frauen nach wie vor in Gesetze gegossen werden, um sie an der Teilhabe in dieser Gesellschaft zu hindern. Es macht mich traurig, dass Teile der Frauenbewegung uns in den Rücken fallen, statt für Selbstbestimmung in Vielfalt zu streiten. Die Abgrenzung in „deutsch“ und „anders“ trifft mich als deutsche Konvertitin besonders hart. Gleichstellung ist erst dann erreicht, wenn auch berufliche Gleichstellung für ALLE Frauen erreicht wurde – ohne Wenn und Aber. Der Kampf um die volle Emanzipation geht weiter, auch heute noch.<<

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