Fachtagung „Antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit als gesamtgesellschaftliche Herausforderung“
Der Fachtag, bei dem wir ein Panel zum Thema Arbeit beitragen konnten, war eine krönende letzte Veranstaltung für das Jahr 2021.
Die Tagung begann am Abend des 15. mit einem Podium zum Thema „Rassismuskritische Arbeit als Auftrag politischer Bildung“. Es sprachen Nicole Erkan von unserem engen Kooperationspartner Muslimisches Frauenbildungszentrum – MINA e.V., Fatih Abay (CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit) und Benedikt Widmaier (Haus am Maiberg).
„Wenn man Muslim:innen und muslimische Organisationen immer nur im Kontext einer Sicherheits- und Migrationspolitik diskutiert, ist das auch eine Stigmatisierung“, erklärte Nicole Erkan. „Erst langsam sieht man uns auch im Kontext der Sozialpolitik. […] Mina e.V. ist ein muslimsicher Träger, aber wir machen soziale Arbeit für die gesamte Gesellschaft.“
Am nächsten Tag gab es nach der Begrüßung durch die AKSB und die muslimische Akademie in Heidelberg mit dem Vortrag von Dr. Muhammad Sameer Murtaza zum Thema „Zwischen Hass und Begehren – die Fetischisierung muslimischer Menschen in rassistischen Denkwelten“ eine Einführung in das Thema. Er zeigte auf, dass antimuslimsicher Rassismus langfristig schädliche Wirkung für die Betroffenen hat. „Die psychologische Forschung zeigt: Wenn Menschen immer wieder mit negativen Stereotypen beschrieben werden, bewirkt das, dass sie diese Stereotypen irgendwann annehmen – nicht weil sie in ihnen angelegt sind, sondern weil die Zuschreibung so stark wirkt.“
Zum Erkennen von antimuslimischem Rassismus empfiehlt Dr Murtaza den 3D-Test. Bei diesem wird getestet, ob es sich bei einer Aussage oder Tat um Dämonisierung von Muslim:innen, Doppelstandards oder Delegitimierung (muslimischen Lebens im Westen) handelt.
„Wenn eine kopftuchtragende Frau in relevante Berufsbereiche vorstößt, werden die Debatten so hysterisch, als stünde die Existenz des Abendlandes auf dem Spiel; Ist sie aber als Putzfrau oder als erotische Fantasie auf den Knien, dann ist sie sehr willkommen,“ erklärte Dr. Murtaza. Die steigende Beliebtheit von „Hijab-Pornographie“ sieht er als interessante Erweiterung der gesellschaftlichen Kopftuchdebatte, um über gesellschaftliche Bigotterie zu sprechen.
Das vom AmF moderierte Panel startete mit einem Einblick in die Erfahrungswelten von Muslim:innen in der Arbeitswelt. Dabei konnten die Teilnehmenden mit einer Menti-Meterumfrage ihre eigenen Assoziationen und Ideen teilen.
Im Anschluss gab Shabana Ahmed einen kurzen Überblick über die Rechtslage – Grundgesetz und AGG spielen eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Diskriminierung. Weil im Alltag Konflikte nicht bis zum Gerichtsverfahren eskalieren sollen, besprachen wir drei Fälle aus der Praxis: Wie könnten in den geschilderten Fällen Kompromisse aussehen? Das wurde zunächst in Kleingruppen besprochen und dann im Plenum vorgestellt. Zum Abschluss tauschten wir uns über Praxistipps aus, schließlich ist der beste Weg antimuslimischen Rassismus zu verhindern, ein tolerantes und für Diversität offenes Klima zu schaffen. Dabei empfahlen wir auch unser Handout zur Tagung „Diversität und Gleichstellung“, das zahlreiche Praxistipps enthält. Trotz kleiner Gruppe war der Austausch sehr interessant.
Nach den Panels zu Muslimfeindlichkeit in relevanten gesellschaftlichen Feldern, bei dem wir auch mitwirken durften, ging es weiter mit einer digitalen Trägermesse, bei der die Teilnehmenden das AmF und weitere muslimische Organisationen kennenlernen konnten.
Am Nachmittag folgten Best-Practice-Beispiele im Porträt als vier parallele Workshops. So wurde das Kompetenznetzwerks Islam- und Muslimfeindlichkeit vorgestellt und unter dem Titel „Poetry, Tanz, Hip-Hop und Antirassismus“ Kunst als Mittel zum Abbau von Diskriminierung beleuchtet. Zur politischen Bildung mit Kindern präsentierte die muslimische Akademie Heidelberg ihre interreligiösen Ferienangebote und der Islamwissenschaftler Jannik Veenhuis stellte die Positionierung politischer Bildung im Kontext der Islamdebatte dar. Dabei trug die Gruppe Besonderheiten in der Arbeit zum Themenfeld Rassismus zusammen, wie beispielsweise die eigene Positionierung zum Thema, eigene Biographie und Ambiguitätstoleranz. Jannik Veenhuis wies darauf hin, dass ein Basiswissen des Islam nicht vor antimuslimischem Rassismus schützt, denn dafür ist die Kenntnis muslimischer Lebensrealität erforderlich. Im Anschluss stellte er seine Ausstellung „Was’ los Deutschland“ vor, bei der an verschiedenen Stationen Alltagssituationen der „Islamdebatte“ und ihre Auswirkung auf Zugehörigkeit und Identität dargestellt und mit Informationsmaterial unterlegt sind. Die Ausstellung zielt darauf ab, Jugendliche für das Thema zu sensibilisieren und wird derzeit für den digitalen Raum überarbeitet.
Zum Abschluss teilte Dr. Hussein Hamdan (Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart), der die Tagung kritisch begleitete, seine Eindrücke.